5:30 Uhr: Aufstehen, die Jungs werden geweckt, der Reis vom Abendessen wird auf dem Gasherd warm gemacht, es wird Maria-Luisa-Tee (so ein Baum steht hier im Hof) mit ganz viel Zucker gekocht.
6:00 Uhr: Die Jungs stecken schon in ihren Schuluniformen und erledigen ihre Haushaltsaufgaben - Küche-, Wohnzimmer-, Bad- oder Flurputzen, Dachterasse- oder Hofkehren. Danach wird gefrühstückt und dann brechen die ersten zur Schule auf, wo sie zu Fuß hinlaufen können
7:00 Uhr: Die Erzieherin/Hausmutter und ich spülen das Geschirr und putzen das Esszimmer.
7:30 Uhr: Auch die letzten Jungs, die zu einer näher gelegenen Schule gehen, verlassen das Haus. Die Erzieherin schreibt nun Entwicklungsberichte. Da es für jedes Kind alle drei Monate einen neuen geben muss, der dann ans Ministerium geschickt wird, und noch weitere Berichte hinzukommen, ist sie immer gut beschäftigt. Ich schreibe in der Zeit an meinem Praxisbericht, lerne Spanisch oder erstelle Übungsblätter für die Kinder.
Jeden Dienstag hat außerdem das Fachteam Besprechung. Das Fachteam besteht aus dem Psychologen und der Psychologin, die jeweils einige Stunden mit einzelnen Kindern arbeiten, aus der Sozialpädagogin, die z.B. die Kinder zu Besuchen bei Geschwistern oder Eltern begleitet, und der pädagogischen und organisatorischen Leiterin der Fundación, meiner Hausmutter.
Jeden Mittwoch ist Besprechung der ErzieherInnen der drei Wohngruppen, wo über die Situation der Gruppen und einzelner Kinder gesprochen wird. Zusätzlich gibt es immer einen neuen Impuls für die tägliche Arbeit mit den Kindern wie z.B. einen Text zum Thema Resilienz. Über die Umsetzung wird dann gemeinsam gesprochen und reflektiert.
12:30 Uhr: Die ersten kommen von der Schule zurück und wir holen mit riesigen Töpfen das Mittagessen, das die Köchin für uns gekocht hat, im anderen Haus der Einrichtung ab. Es gibt immer zur Vorspeise eine Suppe und zur Hauptspeise Reis mit Beilage (z.B. Bratlinge auch Kochbananen, Salat, Linsen- oder Bohneneintopf, Hähnchen mit Nudeln - ja, als Beilage!, Kartoffeln ....). Außerdem gibt es fast immer einen leckeren frischen Fruchtsaft, aus Früchten, deren Namen ich auf deutsch zum Teil gar nicht kenne, Wasser und mit gaaaanz viel Zucker.
ab 14:00 Uhr: Die Hausaufgaben beginnen! Jeden Tag mehr oder weniger ein Kampf. Je höher die Klassenstufe desto anspruchsvoller. Mir kommt es so vor, als wären viele Aufgaben wirklich schwieriger/sinnloser als in Deutschland. Gleichzeitig ist es aber normal, dass die Eltern einen Teil der Hausaufgaben erledigen (man muss noch nicht mal die Schrift des Kindes immitieren). Jeden Tag muss außerdem mindestens einer der Jungs ein Modell bauen, wozu dann noch Styropor, Moosgummi, Karton oder sonst etwas gekauft werden muss. AZudem haben hier alle für jedes Fach mindestens ein Arbeitsbuch. Es gibt nicht, wie in Deutschland üblich, Schulbücher, die auch weitergegeben oder ausgeliehen werden können. Dann brauchen die Kinder noch für jedes Fach ein spezielles Heft usw. Das sind wirklich ganz schöne Materialkosten!
ab 16:00 Uhr: Die Hausaufgaben sind geschafft und die Kinder spielen im Hof Fußball, schauen Fernsehen, hören alle gemeinsam laut Musik und tanzen dazu und der ein oder andere muss noch etwas besorgen oder geht zu einem Freund (ist hier aber nicht so üblich wie in Deutschland, die Kinder sollen eher zu Hause bleiben).
19:00 Uhr: Das Mittagessen wird wieder warm gemacht und wir essen alle gemeinsam zu Abend.
ab 20 Uhr: Alle müssen nacheinander unter die Dusche, es wird noch ein bisschen Fernseh geschaut oder es werden Gesellschaftsspiele gespielt und danach gehen alle mehr oder weniger schnell ins Bett, oft wird es auch 22:30 Uhr - und der Jüngste (mit Pipi Langstrumpf vergleichbar, denn er macht, was er will) geht als letztes ins Bett.
Alle Kinder hier im Kinderheim stammen aus dysfunktionalen Familienstrukturen. Sie haben aus ihrem direkten Umfeld Vernachlässigung, körperliche oder sexuelle Misshandlung erfahren und mussten zum Teil arbeiten, um die Familie mitzuernähren. Viele kommen auch zunächst als Analphabeten ins Kinderheim.
Es ist erstaunlich, wie sehr die Kinder im Alltag dann aber doch "ganz normale" Jungs sind, die gerne fernsehen, Fußball spielen oder gegenseitig Kräfte messen. Erst wenn man sich ihre Biografien anschaut, wird einem anders, und ich kann nur leise erahnen, was sich in diesen nach außen hin fröhlichen Jungs noch alles abspielt und welche Traumata sich dort verstecken.
Ich finde es auch beeindruckend, mit wie viel Respekt die Jungen miteinander umgehen und auch auf einander Rücksicht nehmen. Natürlich nicht immer, sie streiten sich auch gerne, aber wenn es darauf ankommt, können sie sich aufeinander verlassen. Sicherlich Dinge, die sie nicht in ihrer Herkunftsfamilie gelernt haben. Ich denke, sie sind hier an einem guten, sicheren Ort.